Biografie
Ermano Maggini (1931-1991)
Ermano Maggini wurde am 30. August 1931 in Intragna, Tessin, geboren; erste musikalische Eindrücke erhielt er am Collegio Papio, Ascona. Nach der Ausbildung an der Musikakademie Zürich wirkte er während vierzig Jahren in Zürich als Musikpädagoge u.a. an der Kantonsschule Wiedikon. Zudem bildete er als Mitbegründer der Zürcher Gitarren-Schule viele Berufsschüler aus und wirkte bis zuletzt als geschätzter Theorie- und Instrumental-Lehrer an verschiedenen Schulen. Sein kompositorisches Œuvre entstand innerhalb von nur zwei Jahrzehnten. Mit ihm gewinnt die Schweiz ein musikalisches, künstlerisches und visionäres Werk, das erst zu einem Teil erschlossen ist. Ermano Maggini ist am 19. Dezember 1991 an seinem Herkunftsort verstorben. Zuvor noch hatte er die Fondazione Ermano Maggini Intragna ins Leben gerufen. Aus Anlass des Gedenkjahres
Vor 80 Jahren, also 1931, wurde Ermano Maggini in Intragna geboren. Am 19. Dezember 2011 jährt sich der 20. Todestag dieses bedeutenden Schweizer Komponisten. Vierzig Jahre hatte er als Komponist und Musiklehrer in Zürich gelebt. Auch Intragna blieb ihm während vieler Jahre ein Refugium seines Schaffens. Die von Ermano Maggini gegründete Fondazione Ermano Maggini Intragna zeichnet verantwortlich für seinen musikalischen Werknachlass. Sie blickt auf zwanzig Jahre ihres Wirkens zurück. Auch in diesem Sinne hier ein Gedenken. Die Stiftung ist damit beauftragt, den kompositorischen Werknachlass zu bewahren und einer Öffentlichkeit zuzuführen.
Die Fondazione Ermano Maggini Intragna, die er noch begründet hatte, zeichnet auch als Herausgeberin von fünf CDs, die postum in Zusammenarbeit mit dem Radio della Svizzera Italiana Rete 2 und der Edition Jecklin Szene Schweiz realisiert werden konnten, in die Wege geleitet wurden Uraufführungen und Konzerte mit namhaften Interpreten im In- und Ausland. Dazu zählen auch die Streichquartette. Eines der letzten Werke, Canto XXI (Ultimo Canto), von Ermano Maggini, wurde auch im April 2011 zum wiederholten mal vom Gewandhaus-Quartett in Leipzig aufgeführt. Alle drei Streichquartette des Komponisten wurden in den 90er Jahren vom Gewandhaus Quartett postum uraufgeführt und auf CD eingespielt. Weitere Kompositionen brachten auch Interpreten, die den Komponisten noch zu Lebzeiten kannten, zur Aufführung und Einspielung. Die Interpreten des Orches'Trio z. B. spielten die ihnen gewidmete Kompositionen, darunter Torso IV (für Violine, Kontrabass und Gitarre, 1987), auf ihren Tourneen in Europa, Mexico, Japan auch nach des Komponisten Tod. Urakami (für Shakuhachi und Kontrabass), ebenfalls ein Spätwerk von Ermano Maggini (1990/91), wurde im Gedenken an Hiroshima mehrfach in Nagasaki aufgeführt. Das Stück ist eine Pilger- und Klageweise, und hat zum Motiv die atomare Katastrophe, die den Komponisten sehr beschäftigte und die er in den Satz fasste: 'Versunken sind Hügel, Fluss und Kathedrale.'
Zu den auf CD eingespielten Werken gehören nebst den Streichquartetten und dem erwähnten Trio auch Werke für Flöte solo, für Violoncello solo und für Klavier und drei seiner frühen Orgelwerke, ebenso das Trio für Klarinette, Violoncello und Klavier (1990) sowie eines seiner Vokalwerke: 'Zwischen Himmel und Erde' für Flöte und Sopran (1984). Eindrücklich sind seine Orchesterwerke. Das Orchestra della Svizzera italiana mit der Cellistin Annick Gautier unter der Leitung von Christof Escher brachte 1998 den 1986/87 geschriebenen Canto XVI per violoncello e orchestra zur späten Uraufführung und CD- Einspielung. Für Annick Gautier hatte Maggini mehrere Werke für Cello solo geschrieben und ihr gewidmet. Auch zu Lebzeiten des Komponisten kamen mehrere Orchesterwerke Ermano Magginis vom Orchestra RTSI unter der Leitung von Marc Andreae zur Aufführung. Im Eco di Locarno vom 31. März 1987 u.a. steht zu lesen: In prima assoluta anche un'opera die Ermano Maggini: 'Di particolare interesse per il pubblico locarnese, l'execuzione dell'opera di Maggini. Maggini, cinquantaseienne di Intragna, diplomato alla Musikakademie di Zurigo, insegna tuttora nella città della Limmath: ha al suo attivo un notevole numero di composizioni di vario genere e di rilevante interesse (si ricorderà ad esempio, l'esecuzione di un suo brano organistico al Festival di Magadino.) 'Canto XV' per violino e orchestra fa parte di un lavoro a cui Maggini si dedica da un ventennio, riguardante i 21 capitoli del Vangelo secondo S. Giovanni. (…) Il pezzo di Maggini è stato calorosamente applaudito.'
Aber auch das Zürcher Kammerorchester und das Symphonische Orchester Zürich brachten Ermano Magginis Orchesterwerke zur Uraufführung. In der NZZ vom 15. Mai 1986 heisst es zur Aufführung von Canto XII in Zürich: Das dichte Klanggewebe des expressiven Streichersatzes ergibt ein ausdrucksvolles Stimmungsbild, das, nur kurz unterbrochen von bewegten Einwürfen, geheimnisvoll im Nichts verebbt. (Ch.B.) Im Rahmen von Ticino Musica im Jahr 2000 wurde das Bläser-Quintett HIOB von 1977 in der Pfarrkirche von Intragna durch ein polnisches Quintett nach langem wiedergespielt. Das Konzert war ein eindrückliches Erlebnis, gelangten doch nur Werke Magginis zur Aufführung. Die Werke von Ermano Maggini stellen einen hohen Anspruch an das technische wie musikalische Können der Interpreten. Dazu gehört auch die Berücksichtigung der Obertöne. In der für das Verständnis der musikalischen Sprache Magginis wichtigen Kammermusik der 70er-Jahre sind die späteren weitgefassten Klangräume der Orchesterwerke bereits vorgebildet. Teil der ganzen Gestalt ist die Abwesenheit des Tons oder sein Verschwinden im Raum; einen umfassenden Kompositions-Zyklus nannte Maggini daher: Torso. Maggini sah den Raum, in den der Ton verschwindet, als Teil der ganzen Gestalt, das Werk wird erst durch die Abwesenheit des Ton, durch die gehaltene Stille, vollendet; visuell bedeutete das, die Gestalt schliesst sich im Unsichtbaren. Das gilt für viele seiner Werke, auch für die Canti.
Maggini nützt die den Instrumenten eigenen Möglichkeiten, lässt den einzelnen Ton an- und abschwellen, vergleichbar der Dynamik der menschlichen Stimme. Es fällt auf, dass er nicht dem Klavier den Vorzug gibt, sondern Bläsern und Streichern. Wie schon erwähnt gehören auch vokale Werke zu seinem Oeuvre, nicht alle sind uraufgeführt, darunter ein Liederzyklus nach Gedichten von Nelly Sachs für Bariton solo (1975).
Zu Erwähnen ist, dass alle originalen Notenschriften in der Zentralbibliothek Zürich ihr Depot gefunden haben, Kopien gibt es dort einzusehen. Im Zeitraum von nur zwei Jahrzehnten hat Ermano Maggini 56 Werke geschaffen, von denen einige noch gar nicht zur Aufführung gelangt sind, darunter aufwendige Orchesterwerke. Der Grund dafür, liegt oftmals an den fehlenden finanziellen Mitteln und am Zeitaufwand, den die anspruchsvollen Werke den Musikern abfordern. So sind das Orchesterwerk Canto XX (1989/90) oder das Weihnachtsmysterium für Soli und Orgel nach Texten von Silja Walter (1985) bis heute unaufgeführt geblieben. Es gibt weitere Gründe, dass einem Werk die Aufführung noch verwehrt war: Bei Torso VI für Clavier Cristal solo (1988) und Torso V für Orchester und Clavier Cristal (1987) ist es die Seltenheit des Instruments. Ermano Maggini schöpfte seine Motivation für die Wahl eines bestimmten Instruments hin und wieder aus einer Begegnung mit einem Interpreten. Kam dieses Werk dann nicht zu stande, griff Maggini nicht mehr darauf zurück. Als hätte er gewusst, wie wenig Zeit ihm noch blieb.
Die Fondazione Ermano Maggini mit Sitz in Intragna widmet sich nebst der archivarischen Arbeit, seit einigen Jahren auch der sukzessiven Drucklegung und Herausgabe der Notenschriften, um den Interpreten den Zugriff zu erleichtern und um die Verbreitung des reichen Werknachlasses besser zu gewährleisten. Die Gewichtung liegt vorerst auf den bereits auf CD eingespielten Werken. Die Stiftung zeichnet als Herausgeberin. Die ersten Werkausgaben sind im Musikverlag Müller & Schade AG Bern erschienen, kommentiert in drei Sprachen (ital., dt., engl.), inklusive Werkverzeichnis und Diskographie. Weitere Hefte sind in Arbeit (Siehe auch unter Editionen und Diskografie.)
Die Stiftung bleibt auf kulturelle Förderung angewiesen. Der fünfköpfige Stiftungsrat, der noch von Ermano Maggini einberufen wurde, möchte anlässlich dieses Gedenkjahres all jenen danken, die mit ihrem künstlerischen wie kulturellen Engagement, das Werk gefördert haben. Und sie möchte ermutigen, auch künftig dazu beizutragen, dass dieses kostbare, teils noch verborgene musikalische Wirken eines Schweizer Komponisten bewahrt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. Ermano Maggini hat ein Werk geschaffen, das über seine Zeit hinaus lebendig blieb und lebendig bleiben wird.
Evi Kliemand
Präsidentin der Ermano Maggini Stiftung Intragna
für den Stiftungsrat im April 2011
Wer das Werk von Ermano Maggini weiterhin fördern möchte:
Cassa Raiffeisen delle Centovalli - CH 6655 Intragna TI –
Conto risparmio: Fondazione Ermano Maggini 14009 92 80281\\