CANTO XVI für Orchester und solo Violoncello

Intragna/Zürich 1986/87
Dauer ca. 12'
gewidmet an Annick Gautier
Besetzung: 12 Violinen, 6 Bratschen, 4 Violoncelli, 2 Contrabasse

Zur Werkgeschichte

Christof Escher, unter dessen Leitung das Orchestra della Svizzera Italiana Canto XVI für Violoncello solo und Orchester im Juni 1998 zu einer ersten Aufführung gelangt ist, hatte schon 1986 mit dem Zürcher Kammerorchester Ermano Magginis Canto XII für Streichorchester aufgeführt. Auch für das Orchestra della Svizzera Italiana war es nicht das erste Mal, dass es sich eines Werks von Maggini annahm. Schon 1978, unter der Leitung von Marc Andreae, tat es sich mit Torso II und 1982 mit Canto VI hervor, damals noch unter dem Namen Orchestra Radiotelevisione della Svizzera Italiana. Zwölf Jahre nach der Entstehung – dies auf Wunsch von Annick Gautier, welcher das Werk gewidmet ist, - kam es zu dieser ersten Aufführung von Canto XVI für Violoncello solo und Orchester im Radio Studio Lugano, eine radiophone, jedoch nicht konzertante Aufführung, die zugleich zur Basis der Einspielung für eine CD wurde. (vgl. CD Jecklin Edition JS 317-2 2000) hsg. von der Fondazione Ermano Maggini Intragna.)

Die Cellistin Annick Gautier, bekannt als Solistin und Kammermusikerin, unterrichtete in Zürich sowie am Konservatorium in Feldkirch. Der Komponist Ermano Maggini widmete ihr mehrere Werke. Seit 1996 leitete sie das von ihr gegründete Kulturzentrum LePinacle in Saint-Vallerin (Burgund) 2003, mit nur 51 Jahren, verstarb Annick Gautier-Escher, die durch ihr congeniales Spiel viel zur Bekanntheit von Ermano Magginis Schaffen beigetragen hat. Wie Christof Escher war sie dem Komponisten schon zu dessen Lebzeiten verbunden, sie zeichnete für alle Uraufführung von Ermano Magginis Werken für Violoncello solo. Als Violoncellistin des Trio Zemlinsky, dem auch das Spätwerk Torso VIII für Klarinette, Violoncello und Klavier zugechrieben war, ist Annick Gautier ebenso unvergessen geblieben.(CD Jecklin Edition JS 295-2 1993 und weitere Editionen Müller & Schade Bern).

In den späten 80er Jahren verlegte Maggini mit den Orchesterwerken seine Aufmerksamkeit stark auf die Streicherregister: hierzu zählen auch unaufgeführte Werke wie Torso V für Clavier Cristal und Streichorchester; Canto XII für Streichorchester (mit 14 Violinen, 4 Bratschen, 4 Violoncelli, 2 Kontrabässen); Canto XV für solo Violine und Orchester sowie der hier vorgestellte Canto XVI für Violoncello solo und Streichorchester von 1986-1987, in Besetzung von 12 Violinen, 6 Bratschen, 4 Violoncelli, 2 Kontrabässen.

Ermano Magginis Kompositionen für Orchester zeichnen sich durch eine dicht gestaltete Klangtextur aus - ihr Signum ist ein Extreme auslotender Spannungsbogen, dazu kommen der homogene Klang und die einzelne Stimme, ein akustisches Phänomen, das zum expressiven, informellen Klangkörper werden kann, in der die Transparenz dynamisch räumlicher Dimensionen zum Tragen kommt, nachwirkt. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass Ermano Maggini immer in unmittelbarem Kontakt zu bildenden Künstlern seiner Zeit gestanden hatte; vgl. hierzu Biographie: Evi Kliemand: Ermano Maggini (1931-1991) – Ein Schweizer Komponist - Un compositore svizzero Orte des Schaffens – Orte des Begegnens - Luoghi di creazione – Luoghi di incontri - Musik Verlag Müller & Schade Bern 2014 ISBN 978-3-905760-15-6).

Ermano Magginis Oeuvre umfasst 56 Instrumental- und Vokalwerke; davon sind gut zwei Drittel zu Lebzeiten des Komponisten uraufgeführt worden, darunter auch aufwendige Orchesterwerke. Zahlreiche kammermusikalische Konzerte und radiophon ausgestrahlte Aufführungen haben das Werk dieses Schweizer Komponisten zu seinen Lebzeiten bekannt gemacht.

Die von ihm ins Leben gerufene Fondazione Ermano Maggini Intragna hat in Zusammenarbeit mit Radio-Studio Lugano Rete 2 und der Edition Jecklin Zürich postum fünf CDs mit Werken des Schweizer Komponisten Ermano Maggini herausgebracht. Die ersten Vorhaben galten Aufnahmen mit jenen Interpreten, welche noch an der Seite des Komponisten die Werke einstudiert hatten. Zudem sind neue Interpretenkreise hinzugekommen, um noch unaufgeführte Werke einzuspielen. Ein markanter Schritt in diese Richtung zeichnete sich ab durch die vom Gewandhaus Quartett Leipzig unternommenen Uraufführungen der drei Streichquartette. So wurde Canto VII für Streichquartett auch späterhin erneut von diesem hervorragenden Quartett aufgegriffen und im Jubiläumskonzert vom 25. März 2018 im Gewandhaus zu Leipzig ein weiteres Mal aufgeführt. Auch dabei übernimmt das Violoncello eine unersetzliche Rolle.∖

Für Ermano Maggini war es unerlässlich, ein Werk von Anfang bis zum Schluss durchzuführen, um in sich kongruent Dynamik, Farbe, Zeit und Raum hervorzurufen, nur so entwickelt das Werk seinen eigentlichen klanglichen Corpus und Überbau.

Das galt ihm auch als Prinzip beim Unterrichten: so wie der Schüler einstieg in ein Werk, sollte er es halten und auch mit diesem Atem zu Ende bringen. In diesem Atem erfüllte sich sein 'duende' – diese energetisch ganzheitliche, dem Werk eigene, alle Teile ergreifende spürbare Kulmination. Umso einleuchtender mag es sein, dass er Aufnahmen gegenüber skeptisch wäre, die Perfektion nur dem rein elektronischen Zusammensetzen der einzelnen Fragmente und Sequenzen zu verdanken haben. Dieses stückweise Prozedere – ohne eine durchgängige Aufführung widerfuhr sowohl Canto XVI als auch dem nur im Studio erfassten Canto XX, seinem letzten Orchesterwerk. Für beide Orchesterwerken wäre eine Ur-Aufführung im Konzertsaal vor Publikum wünschenswert.

Text zur Werkgeschichte und Redaktion:
Evi Kliemand (2018/2019), Fondazione Ermano Maggini Intragna

Herausgeberin Fondazione Ermano Maggini Intragna
alle Rechte auch bei der Autorin
Werkausgabe: 20
Musikverlag Müller & Schade AG 3014 Bern
M&S 2600/01ISMN M-979-0-50023-975-8

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