TRILOGIE CANTO VIII-IX-X für Orgel

Zürich/Intragna 1983/84
Dauer ca. 20'
Erich Vollenwyder gewidmet

Zu den Orgelwerken von Ermano Maggini (Werkausgaben 12-15)

Die Freundschaft zwischen dem Komponisten Ermano Maggini (1931-1991) und dem Organisten Erich Vollenwyder (1921-1997) ist eine glückliche Fügung. Eine Freundschaft, die in den 70er Jahren begann und erst mit dem Tod des Komponisten enden sollte. In der Zeit von 1979-1983 schrieb Ermano Maggini sein erstes Orgeltriptychon: Via crucis, Ultima Verba, Patmos, Werke, die Erich Vollenwyder gewidmet, von ihm uraufgeführt und auch zu Lebzeiten des Komponisten eingespielt worden sind. Sie wurden an zahlreichen Konzerten im In- und Ausland vorgetragen, und noch im Sommer 1990 spielte Vollenwyder Patmos an der Orgel von St. Nicolai zu Leipzig. Das Werk hatte er 1983 in Zürich uraufgeführt. Im selben Jahr noch schrieb Maggini ein weiteres Werk für Orgel, diesmal eine Trilogie Canto VIII - IX - X, die sich als ein geschlossenes Werk verstand. Uraufgeführt wurde es in der Kirche Enge in Zürich am 10. November 1985.
Ein weiteres Orgelwerk entsteht 1984/1985 mit Canto XIII, von Vollenwyder am 29. August 1986 im Hohen Dom zu Köln zur Erstaufführung gebracht. Dem Programmzettel sind diese Worte des Komponisten zu entnehmen:
'Zu meinem Canto XIII: Seit Jahren arbeite ich an einem Musik-Zyklus für verschiedene Besetzungen (Orgel, Orchester, Streichquartett u.a.). Es sind im ganzen einundzwanzig Canti, die sich auf die XXI Kapitel des Johannes-Evangeliums beziehen. In diesen Canti versuche ich, durch die Abstraktion der Musik die tiefsinnige Unendlichkeit der Liebe und des Geistes des Johannes-Evangeliums den Menschen näher zu bringen.'
1987/88 komponiert Ermano Maggini mit Canto XVIII und mit Canto XIX (1988) zwei weitere Werke für Orgel solo, seine letzten. Canto XVIII widmete er der Freundin Katarina Holländer. Der Komponist jedoch sollte diese beiden Werke selber nie hören. Möglich, dass Canto XVIII vom Organisten Hans-Dieter Karras 1991 in Braunschweig einmal gespielt wurde. Komponist und Organist hatten sich kurz zuvor kennengelernt, geplant war für 1992 ein Konzert, in dem nebst den beiden Orgelwerken zwei Vokalwerke, die die Orgel mit einschlossen, uraufgeführt würden: das Weihnachts-Mysterium von 1985, und im Besonderen das Grosse Magnificat (von 1990/91), das Ermano Maggini jenem Braunschweiger Organisten Hans-Dieter Karras eigens zugeschrieben hatte. Indes, zu viele schicksalhafte und zeitgeschichtliche Umbrüche verhinderten den Plan der beiden.
So erlebte Canto XIX für Orgel erst am 21. 9. 2002 in Locarno seine postume Uraufführung, mit der Vorarlberger Organistin Gertrud Längle-Hofer an der Orgel der Kirche Sant' Antonio. Das Konzert antwortete auf eine zeitgleiche Ausstellung der Malerin Evi Kliemand, der das Werk gewidmet ist.
1990/91 schrieb Ermano Maggini den Canto XXI, den Ultimo Canto, damit erfüllte sich sein früh gefasstes Vorhaben (vgl. Editionen).
In diesen Editionen konzentrierten wir uns bislang auf bereits eingespielte Werke. Mit dieser Herausgabe tun wir einen Schritt darüber hinaus, auch um einer jüngeren Organisten-Generation Gelegenheit zu bieten, diese anspruchsvollen Kompositionen kennenzulernen und künftig aufzuführen.
Mit der Orgel einher geht der weite polyphone Klangraum, und so erstaunt es nicht, dass Maggini Orchesterwerke und auch aufwendige Vokalwerke fast parallel entstehen liess. Seine Bewunderung für Frank Martin (1890-1974) ist signifikant. Wer Frank Martins Kompositionen kennt, spürt, dass in des Jüngeren Musik sich etwas fortsetzt, anschliesst, was sich von des Älteren Werk ermutigend, ja bestätigend auf das Schaffen von Ermano Maggini auswirkte. Über diesen Einstieg mag ein Stückweit Schweizer Musikgeschichte deutlich werden.
Und rückbezüglich kann dies auf das Werk des Älteren vertiefend wirken.

Text und Redaktion: Evi Kliemand, 2016

< zurück